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Predigt (16.2.2025) Sonntag des verlorenen Sohnes

Autorenbild: P.KaragiouvanisP.Karagiouvanis

Am dritten Sonntag der Vorbereitung auf die Fastenzeit hören wir das Gleichnis vom verlorenen Sohn. Zusammen mit den Hymnen dieses Tages erschließt uns dieses Gleichnis die Zeit der Reue als die Rückkehr des Menschen aus dem Exil. Der verlorene Sohn, so hören wir, bricht auf in ein fernes Land und verschwendet dort alles, was er besitzt. Ein fernes Land! Das ist die einzige zutreffende Bezeichnung für unsere Bedingtheit als Mensch, die wir annehmen und zu der unseren machen müssen, wenn wir unseren Weg zu Gott hin beginnen. Ein Mensch, der niemals diese Erfahrung gemacht hat, und sei es auch nur für kurze Zeit, dass er in der Gottesferne lebt und von dem wahren Leben abgeschnitten ist, wird niemals verstehen, was es mit dem Christentum auf sich hat. Und jemand, der vollständig in dieser Welt und in dem Leben dieser Welt „zu Hause“ ist, der nie von dem sehnsuchtsvollen Wunsch nach einer anderen Wirklichkeit schmerzlich getroffen wurde, der wird nie verstehen, was bereuende Umkehr ist.


Oft wird die bereuende Umkehr einfach mit einer nüchternen und „sachlichen“ Aufzählung von Sünden und Übertretungen, einem „Schuldbekenntnis“ bei einer gerichtlichen Anklage, gleichgesetzt. Geständnis und Absolution werden als juristische Akte betrachtet. Man übersieht jedoch etwas sehr Wesentliches, ohne das weder das Schuldbekenntnis noch die Absolution eine wirkliche Bedeutung oder Wirksamkeit erlangen können. Dieses „Etwas“ ist ganz genau das Empfinden des Verbanntseins von Gott, weit verbannt von der Freude der Gemeinschaft mit Ihm und fern dem wahren Leben zu sein, das durch Gott geschaffen und geschenkt wird. Es ist in der Tat leicht zu bekennen, dass ich an den vorgeschriebenen Tagen nicht gefastet habe, dass ich meine Gebete vergessen habe oder jähzornig gewesen bin. Eine ganz andere Sache ist es jedoch, wenn ich mir unvermittelt eingestehen muss, dass ich mich sehr weit von meinem eigentlichen Zuhause, von meinem wahren Leben entfernt habe, und dass ich in dem innersten Gewebe meiner Existenz etwas Kostbares, Schönes und Reines in nicht wieder gut zu machender Weise zerstört habe. Indessen bedeutet dies, und nur dies, die bereuende Umkehr, und deshalb entsteht auch ein tief greifendes Verlangen, umzukehren, zurückzukehren, zurückzugehen und jenes verlorene „Heim“ wieder zu finden.


Von Gott habe ich wunderbare Reichtümer erhalten: zunächst das Leben und die Möglichkeit, mich dessen zu erfreuen, ihm einen Sinn geben zu können, es mit Liebe und Erkenntnis ausfüllen zu können; dann – in der Taufe – das neue Leben in Christus selbst, die Gabe des Heiligen Geistes, den Frieden und die Freude auf das ewige Königreich. Ich habe die Erkenntnis Gottes erhalten, und in Ihm die Erkenntnismöglichkeit einer jeden Sache, und die Kraft, Kind Gottes zu sein. Und dies alles habe ich verloren; dies alles verliere ich ständig, nicht nur in den besonderen „Sünden“ und „Übertretungen“, sondern durch die Sünde aller Sünden, indem ich meine Liebe von Gott abwende und das „Ferne Land“ der Schönheit des Hauses des Vaters vorziehe.


Aber die Kirche ist da, um mich daran zu erinnern, was ich aufgegeben und verloren habe. Und während sie mir dies ins Gedächtnis zurückruft, erinnere ich mich; so wie es das Kontakion dieses Tages ausdrückt: „Fern von der Herrlichkeit des Vaters bin ich in meiner Torheit Fesseln umhergeirrt und habe mit den Sündern die Reichtümer, die Du mir anvertraut hasstest, verschwendet. So rufe ich mit dem verlorenen Sohn zu Dir: Barmherziger Vater, ich habe gegen Dich gesündigt. Nimm mich reuigen Sünder wieder auf und nimm mich an wie einen Deiner Tagelöhner...!“ Und während ich mich erinnere, spüre ich in mir das Verlangen und die Kraft zurückzukehren:“…Ich werde mich aufmachen und zu meinem mitfühlenden Vater zurückkehren und werde zu Ihm unter Tränen sagen: Nimm mich auf wie einen Deiner Diener…!“ Hier muss man auf eine liturgische Besonderheit dieses Sonntags des Verlorenen Sohnes hinweisen. Während des Orthros des Sonntags wird nach dem feierlichen und freudigen Gesang des Polyeleos-Psalmes der traurige und sehnsuchtsvolle Psalm 137 gesungen:


An den Flüssen von Babylon saßen wir und weinten, Sions gedenkend… Wie könnten wir dem Herrn ein Lied singen in einem fremden Land? Sollte ich dich, o Jerusalem, vergessen, soll meine Rechte verdorren! Meine Zunge klebe an meinem Gaumen, wenn ich deiner vergesse, wenn ich nicht Jerusalem über alle meine Freuden stelle…


Das ist der Psalm des Exils. Die Juden sangen ihn während der babylonischen Gefangenschaft, im Andenken an ihre heilige Stadt Jerusalem. Er wurde seit jeher das Lied desjenigen, der sich seines Verbanntseins in der Gottesferne bewusst und hierdurch zu einem neuen Menschen wurde: zu jemandem, den nichts von dieser gefallenen Welt zufrieden stellen kann, da er seiner Natur und Berufung nach ein Pilger des Allerhöchsten ist. Dieser Psalm wird noch zweimal, an den beiden letzten Sonntagen vor der Fastenzeit gesungen. Und somit offenbart sich die Fastenzeit als Pilgerfahrt und Bereuen, als Umkehr.


(„Die Große Fastenzeit“ von Alexander Schmemann, Veröffentlichungen des Instituts für Orthodoxe Theologie, Band 2, München 1994)



 
 
 

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